Aus den Boxen dröhnt der neueste Chartbreaker, irgendein fast unentdeckter Indie-Track oder auch bereits seit zwei Stunden das Elektroset bei der After-Show-Party. Alle drehen im Club durch. Nur eine Person steht mies gelaunt in der Ecke und wartet darauf, bis sich der Rest der Gruppe ausgetobt hat. Dies sind nämlich nicht auszuhaltende Zustände für den Musiknazi und irgendwann wird es vielleicht auch aus ihm rausplatzen.

Man kann den Leuten ja nicht in die Köpfe gucken und seinen Mitmenschen fiel nur die kontinuierlich sinkende Stimmung auf. Egal ob private oder öffentliche Party, nach einiger Zeit fliegt er auf und ist im Gespräch. Durch eine simple Aussage wird deutlich – er ist ein Musiknazi: „Musikstil XY kann ich gar nicht leiden, ich höre sowieso nur Lieder aus dem Bereich XY“. Bumm! Das hat gesessen, die Fronten sind erst mal verhärtet. Was kann man auf diesen Frontalangriff von zumeist vorher unbekannten Leuten antworten, die wir just in den Moment kennenlernen und die Reaktionen nicht abschätzen können? Jetzt ist große Diplomatie angesagt, die sicher nicht mit dem Satz „Ich höre eigentlich alles“ beginnen sollte. Diese Einstellung qualifiziert nämlich niemanden zu einem toleranten Menschen als den Musiknazi, denn dieser ist nicht zwangsläufig in allen gesellschaftlichen Bereichen auf eine Richtung fixiert.

Die Betitelung als (Musik)Nazi bezieht sich schließlich nur süffisant auf die engstirnige Musikauswahl. Personen, die tatsächlich alle Genres inklusive allen veröffentlichen Songs ohne Ausnahme super finden, müssen sich auch vorwerfen lassen, keinen individuellen Musikgeschmack zu entwickeln und sich stumpf berieseln zu lassen. Ein Satz wie „Ich höre eigentlich alles“ oder die Lieblingsmusikrichtung „Charts“ bekräftigt den Musiknazi in seiner Weltanschauung. Wenn nun also der Wunsch an den Musiknazi ist, mehr Toleranz zu zeigen, müssten die „Alles-Hörer“ dann auch lernen intoleranter zu werden? Um sich anzunähern, könnten doch beide Parteien den Kompromiss anstreben und aus den Songpools der diversen Musikgenres die Rosinen rauspicken für die gemeinsame Party. Was dazu der Gastgeber wohl sagt? Je nach Motto wahrscheinlich: „Das ist doch keine Kirmes oder Uniparty hier, sondern eine XY-Musik Party, lies doch mal den Namen auf dem Flyer!“ Hierbei hat der Veranstalter noch das Heft in der Hand. Auf Privatpartys kommt es aber teilweise zu Übergriffen extremistischer Musiknazis, die mit externen Speichermedien anrücken, den Platz an der Anlage blockieren und allen ihre Musik um die Ohren hauen. Musikwünsche werden ignoriert, vertröstet und verspottet als sollte der Abend des angesagten Unterground-DJ mit David Guetta Songs gesprengt werden. Zurück bleibt oftmals ein unzufriedenes Publikums anstatt eines verstimmten Musiknazis, den der private Gastgeber oft noch nicht mal engagiert hat.

Der Text bediente sich oft der männlichen Form – kann der Musiknazi denn auch weiblich sein? Ja! Erinnert Euch an den einen Moment, als ihr es gewagt habt die Musik der Lieblingsband Euer Schwester oder Freundin zu kritisieren. Hoffentlich sprecht ihr mittlerweile wieder miteinander und steht nicht allein in dieser dunklen Ecke im Club.

Steffen Adams