Antonia ist 16 und war zum ersten Mal auf einem Festival. Als Nachwuchsjournalistin für das TFKS-Projekt erzählt sie von lauten Konzerten auf dem Musikschutzgebiet, langen Nächten und einem Treffen mit Cro.

Freitag

10:00 Vollgepackt mit Zelt, Schlafsack und Reisetasche, ist die erste Entdeckung auf meinem Weg zum Zeltplatz weder die schöne Landschaft noch der idyllische Hof – mir fielen die riesigen Mengen an Essen und Getränken auf. Die Besucher schleppten massig Verpflegung in Dosen vom Parkplatz zu den zwei Zeltplätzen. Während ich Zeltplätze für Freunde freihielt, die erst später auf den Grünhof anreisten, entspannte ich mich auf der Isomatte vor meinem Wurfzelt und ließ mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Ein Fehler, ich sollte die nächsten Stunden mit einem knallroten Gesicht rumlaufen: peinlich!

14:00 In der Zeit, in der meine Freunde mit Zelt aufbauen beschäftigt waren, schaute ich mir den Hof an. Klein, überschaubar und superschön, mit Londoner Doppeldecker Bus inklusive integrierter Kaffeebar. Gleich nebenan: ein „Wochenend-Store“ eines Kasseler Skateshops. Im Festivalbüro holte ich mir mein Festivalbändchen und einen „Media Team“ Pass ab, mit dem ich fast überall Zutritt bekam, sodass ich auch mal Backstage-Luft schnuppern konnte.

15:45 Da die ersten Zeltmitbewohner schon über mangelnde Akkukapazitäten jammerten, machten wir einen Stopp beim „Electric Hotel“. An einem umgebauten amerikanischen Wohnwagen konnten wir Handys und Digitalkameras für wenig Geld und ökologisch korrekt aufladen. Oder die Nutzer hauchten den Geräten mit Hilfe von Muskelkraft auf dem Fahrrad persönlich wieder Leben ein. Unser Fazit: Einigermaßen erfolgreich, zumindest ließen sich die Geräte nach fünf Minuten Strampeln wieder anschalten. Die erste Band, Waves of Joy, die im Vorfeld des Festivals das Bandvoting für einen Platz im Musikschutzgebiet Line-up gewonnen haben, fing in der Scheunenbühne an zu spielen – wir waren natürlich dabei und tanzten mit knapp 40 anderen Besuchern.

16:15 Erste Bekanntschaften mit unseren Zeltnachbarn, alle sehr nett und freundlich, aber ich musste weiter, denn es stand auch schon das erste Treffen unserer Projektgruppe auf dem Plan. Im Technikraum neben dem Festivalbüro fingen wir an, uns für das Interview mit den Orsons vorzubereiten, die am Abend (oder besser: Nacht) spielen sollten. Obwohl ich die Band vorher gar nicht kannte, war ich trotzdem super nervös.

20:15 Emma Heartbeat rockte die Scheune! Zwei Schlagzeuge, eine Sängerin und fette Elektrobeats lassen die Menge tanzen, ausflippen, jubeln. Definitiv ein Highlight!

22:00 Wir waren backstage mit den Orsons verabredet, sie begrüßten uns mit Handschlag und stellten sich wohlerzogen vor. Mit den vier Bandmitgliedern, drei Interviewerinnen plus Kamerateam platzte der „VIP-Wohnwagen“ aus allen Nähten, doch davon ließen wir uns nicht abhalten. Schon bei der Einstiegsfrage „Wie fühlt es sich eigentlich an, ein Orson zu sein?“ (in Bezug auf ein Lied der Orsons, Anm. d. Red.) kam gute Laune auf, nach drei Sekunden Schweigen fingen plötzlich alle an zu lachen. Genau so ging es auch weiter, die vier rissen Witze und warfen mit Anspielungen nur so um sich. Meine Befürchtungen lösten sich in Luft auf, die Jungs sind einfach super sympathisch und gut drauf! Wir unterhielten uns aber auch über ernstere Dinge und sprachen zum Beispiel über die neue Single „Horst & Monika“, mit der die Orsons zusammen mit Cro beim Bundesvision Songcontest für das Saarland antraten. In diesem Lied geht es um die Geschlechts- und politische Sinneswandlung des NPD Mitglieds Horst Strub zur Landtagskandidatin für die Linken, Monika. Mehr dazu lest Ihr auch im Artikel „Horst & Monika“. Wir sprachen auch über die Tour als Vorband für Herbert Grönemeyer, ob die Orsons sich überhaupt als Spaßvögel der Rapszene fühlen (Was sie übrigens entschieden verneinten) und wie sie Konflikte untereinander lösen. Am Ende stießen wir noch an, auf „den Erfolg und tolle Zeiten“ (Aus der Single „Jetzt“, Anm. d. Red.), die Jungs gaben noch Autogramme, dann war das Interview schon vorbei. Schade!

23:10 Robot Koch fing an zu spielen, besonders begeisterte mich, neben der Musik, seine Kopfbewegung – die ihn wie eine nickende Schildkröte aussehen ließ – und sein Dauerlächeln auf den Lippen. Kurz nach dem Start fing es an zu regnen, ich flüchtete in mein Zelt. Der Rest der Menge ließ sich davon aber nicht abhalten: Seine Musik gewann haushoch gegen den Regen, während ich halbherzig versuchte zu schlafen, drang der Applaus zu mir rüber.

00:25 Mein Magen regte sich, ich holte mir eine (übrigens mega leckere!) Pizza am Stand und blieb auf dem Rückweg bei Freunden kleben, die tapfer im Regen ausgehalten hatten, um sich die erste Reihe für den Orsons Auftritt zu sichern. Mit einer Verspätung von knapp 20 Minuten ließen sie die Fans warten – enttäuschten aber nicht, denn der Auftritt war bombastisch. Die Jungs und ihre zwei Backgroundsängerinnen heizten der Menge ein und waren auf der Bühne genauso locker wie im Interview. Der Hof ist voll, die Leute tanzten und sprangen wie wild. Teilweise musste ich mich an der Absperrung festhalten, damit ich nicht von der ersten in die letzte Reihe gespült wurde ;). Doch es ging auch anders; bei ruhigeren Liedern wie „Unperfekt“ oder „Jetzt“ zückte das Publikum Feuerzeuge und schunkelte. Das „Grünhofstadl“ lebt!

02:00 Bei meinem nächsten MSG Besuch versuche ich garantiert nicht, früh ins Bett zu gehen, es ist nämlich hoffnungslos. Ohrenbetäubende, aber verdammt gute Musik spielte bis zum Sonnenaufgang, irgendwann näherte ich mich dem Schlafkoma, den anderen 2.000 Besuchern ging es gut. Unbekannte Leute beschwerten sich lautstark über den Matsch, eine Gruppe grölt lautstark zur Cantina Band („Spielt den selben Song nochmal! Alles klar, den selben Song und los!).

Samstag

08:00 Ich entschloss mich aufzustehen und tadaaa – plötzlich schlafen alle. Mist. Am Bistro kippte ich mir gefühlt einen Liter Kaffee runter und schaute danach im Büro vorbei, dort war ebenfalls alles ruhig. Ein paar der Mitarbeiter und Helfer, die praktisch im Dauereinsatz sind, schliefen tief und fest auf den Sofas. Ich setzte mich einige Minuten als Vertretung an den Tresen.

10:30 Den Vormittag verbrachte ich mit meinen Freunden gemütlich auf den Sofas im Hof, unterhielt mich auch mit den Schemes, die nach ihrem Auftritt am Freitag noch das restliche Wochenende auf dem Hof blieben – weil ihnen das Festival so gut gefällt. Als frühes Mittagessen gab’s Pasta, die, ganz nebenbei erwähnt, göttlich war. Habe am weiteren Wochenende noch drei Portionen gegessen. Nomnom.

13:00 Während die ausgenüchterten Massen zu Pari Pari strömten, machten Amelie und Ich Interviews mit Besuchern. Alle antworteten uns und betonten besonders die tolle Stimmung und die Location des MSG. Beispielsweise Laura Stöbel, die vor allem wegen den Orsons, Cro und Fuck Art, Let’s Dance gekommen ist: „Das ganze Drumherum begeistert mich, das MSG ist klein, familiär und super schön gelegen. Es kommt so richtiges Festivalfeeling auf“.

17:00 Unser Team bereitete das mögliche Interview mit dem Panda-Mann Cro vor, der in knapp neun Stunden spielen sollte. Diesmal war ich nicht so aufgeregt wie bei den Orsons, vor allem weil es sehr wahrscheinlich war, dass er absagen würde. Aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt!

19:35 Auf kuscheligen Sofas im Büro erwischte mich der Schlaf, ich verpasste leider Fat Guy Dancing und Kitty Solaris, die beide sehr gut gewesen sein sollen. Die Leute wurden wach(er) und tanzten jetzt auch ohne Musik, yeah! Da ich eine ausgeprägte Abneigung gegen Fußballspiele aller Art habe, hielt ich tapfer Stellung vor der Hauptbühne, um In Golden Tears und Adolar zu hören, beide begeisterten mich total!

22:45 Als I Heart Sharks anfingen zu spielen, strömte die Menge vor der Mainstage zusammen. Die Jungs sind richtig gut! Ich verzog mich in den Backstagebereich, um dem Andrang vor der Bühne zu entgehen und mich auf das mögliche Interview vorzubereiten. Schließlich lässt meine Konzentration spürbar nach. Das Interview war dann endgültig abgesagt, also stellte ich mich an den Treppenaufgang zur Bühne und tanzte. Plötzlich stellte sich eine Gruppe von Typen hinter uns, um auch etwas von I Heart Sharks zu sehen. Die Kappe, die langen und dünnen Beine, die Rehaugen – ich hatte Cro vor mir! Ohne Maske sieht er verdammt gut aus. Ich unterhielt mich kurz mit ihm und ließ mir Autogramme geben, dass machte die Absage locker wett.

01:00 Leider war keine Zeit mehr für Fuck Art, Let’s Dance, die in der Scheunenbühne euphorisch gefeiert wurden. Dank gut geknüpfter Kontakte zu einer wartenden Gruppe konnte ich noch einen super Platz in der zweiten Reihe für das Cro Konzert erwischen. Wir hatten alle totalen Durst, der Cro-Bassist Tim erbarmte sich dann, uns mit ein paar Flaschen Wasser auszuhelfen. Auch Cro gab bei seinem Auftritt nicht nur seine Lieder, sondern auch laufend Getränke für die Menge zum Besten – allerdings kein Wasser. Als er schließlich einen Wettbewerb um ein Paar „Nike Air“ Größe 42 ausrief, kreischte ich einfach laut „hiiieeer!“ (ich habe übrigens wirklich Größe 41/42) und, oh mein Gott ich war so nervös, werde tatsächlich auf die Bühne geholt! Jeder der drei Kandidaten erzählte, wieso er oder sie die Schuhe haben will, das Publikum entschied dann durch Applaus. Ich erzählte irgendeinen Mist, dass meine Schuhe total kaputt sind, Startnummer 2 will Cro hochheben, wenn er gewinnt und Kandidat 3 legte eine total geniale Beatbox Nummer hin – er war ganz klar der Sieger. Als Trostpreis bekam ich ein T-Shirt.

Sonntag

09:30 Schlaf gab es auch diese Nacht nicht viel, egal. Vorm Zelt trank ich meinen Kaffee und sammelte mit einem Helfer Müll auf. Wir spekulierten darüber, wie viel Pfand wohl ein Müllsack mit Getränkedosen einbringen würde. 100 Euro? 200? Wie gestern schon entspannte ich mich auf den Sofas im Hof, wo Kameramann Elias völlig erschöpft schlief. Auch im Büro herrschte Müdigkeit, man bewegte sich in Zeitlupe, kein Wunder nach zwei Nächten mit wenig bis gar keinem Schlaf.

11:30 Die vier verbleibenden Acts waren genau richtig, um das Wochenende gemütlich ausklingen zu lassen. Alle Sofas wurden vor die Bühne geschoben, „entspannt“ ist genau das richtige Wort, um die Stimmung zu beschreiben. Im MSG Shop kaufte ich mir noch einen Jutebeutel von We are Alaska, eine meiner Lieblingsbands auf dem Musikschutzgebiet.

13:10 Mit Verzweiflung versuchte ich, mein Wurfzelt einzupacken. Die Zeit, die man sich beim Aufbauen spart, kriegt man locker beim Abbauen wieder rein! Sechs verschiedene Leute und ein YouTube Video sollten helfen. Am Ende scheiterten wir leider trotzdem. Schlussendlich nahm ich das Zelt so unter den Arm. Ich war nicht die einzige, die anfing Sachen zusammenzusuchen, überall wurde gepackt. Mein Gepäck stellte ich im Büro ab, damit ich noch ungehindert Musik konsumieren konnte. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr weg vom MSG.

14:00 Meine Mutter rief an – sie war auf dem Parkplatz angekommen. Ich und eine Freundin kämpften uns mit gefühlten Tonnen von Gepäck den Berg hoch, um nach Hause zu fahren. Im Auto wurde ich ganz melancholisch: Mein erstes Festival ist vorbei und es war eine verdammt gute Zeit. Ich habe viele interessante Menschen getroffen, mit ihnen zusammen Neues erlebt, mit den verschiedenen Bands zusammen gefeiert und nebenbei noch ein bisschen „Starluft“ geschnuppert. Ganz sicher: Nächstes Mal bin ich wieder dabei.

Antonia Mohr