Zusammenfassung „Abgestellt“ – ein Projekt des Jugendbildungswerks des Schwalm-Eder-Kreises und des Fördervereins Freiwillige Feuerwehr Großropperhausen
Sechs Jugendliche erzählen in ihrem Film „Abgestellt” von alltäglichen Situationen ihn ihrem Dorf. In nur 21 Minuten thematisieren Leon, Lucas, Elisa, Jonas, Paula und Marius häusliche Gewalt, Isolation, Alkohol bei Jugendlichen, unaufmerksames Autofahren, mangelnde Kommunikation, Mobbing und Geiz. Die Sechs setzen sich auf spielerische Art und Weise damit auseinander und finden zu den verschiedenen Problemsituationen Lösung und Antwort, was dem Film eine beinahe schon kitschige Happy-End Schlussszene verpasst. Die Botschaften hinter den Aktionen allerdings sind intelligent eingeflochten in Handlung und Problemlösung. Dadurch erhält der Film einen hohen kulturellen Wert und einen sehenswerten Charakter.
Doch was bewegt die Gemeinschaft eines so verschlafenen Dörfchens wie Großropperhausen dazu, einen solchen Film zu produzieren? Darüber unterhielten wir uns mit Stefan Braun, den Leiter des Runden Tisch Großropperhausen und Christopher Vogel vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus (MBT).
Amelie Wild
Amelie hat für euch den Film „Abgestellt“ zusammengefasst, der sich kontrovers mit Ereignissen in der Vergangenheit des Dorfs auseinandersetzt. Das Filmprojekt ist allerdings nur ein Teilbereich der Initiativen in Großropperhausen. Das vielfältige Angebot können uns nur die Experten vorstellen, wir interviewten daher Stefan Braun, den Leiter des Runden Tisch Großropperhausen und Christopher Vogel vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus (MBT)
Die Initiative ist angetreten um Impulse zu schaffen für ein stärkeres kulturelles Leben im Ort? Wer waren die federführenden Organisatoren der Kulturinitiative Großropperhausen und welche Ideen standen am Anfang des Engagements?
Der Runde Tisch ist offen für alle BürgerInnen Großropperhausens. Zurzeit treffen sich dort Vertreter des Ortsbeirates, der evangelische Pfarrer, die Jugendpflege, die Leitung der örtlichen Grundschule und interessierte BürgerInnen. Ausgangspunkt war, dass es eine neue Generation von Jugendlichen gibt, die den örtlichen Jugendraum nutzen. In der älteren Vergangenheit (vor 3 bis 4 Jahren) gab es einzelne Vorfälle mit rechtsextremem Hintergrund – auch im Jugendraum. Das sollte diesmal von vorneherein vermieden werden. Das heißt der Runde Tisch wollte und will auf der einen Seite etwas für Jugendliche bieten, aber auch für alle Bewohner im Ort. Und das muss auch nichts mit Rechtsextremismus zu tun haben. Es geht eher um die Erweiterung des kulturellen Angebots.
Eine aktive Freizeitgestaltung der Jugendlichen trägt zur Prävention gegen antidemokratische Einstellungen bei. Mit welchen Ansätzen bekämpft die Kulturinitiative Langeweile im Ort?
Vom runden Tisch geht beispielsweise der sogenannte „Heimatfilmklub“ aus. Es werden Spielfilme an wechselnden Orten (im Schwimmbad, im Kunst- und Werkhof) gezeigt. In 2012 waren das: Arschkalt, Helden des Polarkreises und Männer im Wasser. Außerdem wurden 2012 zwei Filmprojekte für Jugendliche zusammen mit der Uni Kassel realisiert. Jugendliche haben selbsterlebte Geschichten aufgeschrieben, ein Drehbuch daraus gefertigt und Filme gedreht.
Wie ist Deine Einschätzung? Könnte das Konzept der Kulturinitiative auch in anderen Orten oder der Stadt greifen oder fehlen dort Voraussetzungen die in Großropperhausen gegeben waren?
Unbedingt. Der Runde Tisch versteht sich als Projekt, das kulturelle Leben im Ort zu bereichern. Natürlich sind die Voraussetzungen hier gut, weil es ein sehr aktives Vereinsleben gibt. Aber inzwischen hat sogar die letzte Kneipe zugemacht, nachdem es schon keinen Lebensmittelmarkt, keinen Bäcker und keine Sparkasse mehr gibt. Es stehen einige Häuser leer und Jugendliche gehen nach der Schulzeit weg. Und damit steht Großropperhausen ja nicht alleine. Aber natürlich profitieren wir von der Unterstützung des Kreises, der Gelder aus einem Bundesprogramm bekommt, das ist andernorts vielleicht nicht so gegeben.
Von was handelt der zweite Spielfilm, wäre als Ausgleich zu „Abgestellt“ nicht ein Imagefilm über Großropperhausen angebracht oder welche Akzente setzt der Streifen?
Der Film hat erst Anfang März 2013 Premiere. Insofern sind wir selbst gespannt darauf. In jedem Fall geht es ebenfalls um Schuld und Scham, aber mehr weiß außer den Beteiligten niemand. Und es sind noch zwei weitere Filme geplant: einer von und mit Erwachsenen und einer als Kooperation mit Jugendlichen der muslimischen Gemeinde in Borken. Bessere Werbung für den Ort und seine Menschen kann kein Imagefilm machen.
Als Projektziel ist auch die Auseinandersetzung mit jüdischer Kultur und Geschichte in der Region und im Ort angegeben. Leben noch Zeitzeugen des zweiten Weltkriegs im Ort oder halfen externe Personen dabei die Themen an die Ortsbewohner zu vermitteln?
Es leben noch wenige Zeitzeugen, aber keine Juden mehr im Ort, die sind 1934/35 alle weggezogen, nachdem es nicht mehr genug Männer gab, um einen Gottesdienst abzuhalten. Wir haben 2012 drei Aktionen zum Thema gemacht: Einen Ausflug zur Gedenkstätte Trutzhain. Einen Dorfrundgang von der ehemaligen Synagoge zum jüdischen Friedhof mit anschließender Lesung eines Schweizer Schriftstellers. Und eine Veranstaltung mit Gunter Demnig, einem Künstler, der bundesweit sogenannte Stolpersteine verlegt, um an ehemalige jüdische Bewohner der jeweiligen Orte zu erinnern. Zurzeit planen wir eine Kooperation mit der Fachhochschule in Treysa, um die Lebensschicksale der ehemaligen Großropperhäuser Juden zu recherchieren. Das ist gerade sehr vielversprechend.
Wie lautet das Fazit 2012? Hat sich die Kulturinitiative im Ort etabliert und sind bereits weitere Projekte geplant?
Wir sind selbst überrascht davon, was wir 2012 alles auf die Beine gestellt haben. Die Resonanz bei einzelnen Veranstaltungen war enorm. Am Runden Tisch nehmen Leute teil, die auch sonst stark ehrenamtlich engagiert sind und manchmal besteht die Gefahr, dass man sich übernimmt. Aber die Resonanz ist wirklich gut. Das ist sehr motivierend und natürlich machen wir 2013 weiter.